Zeitzeugen hinterlassen Spuren

Anmerkung: 

Am 14. Juli 2016 wurde Bischof Franz Schäfer im 96. Altersjahr friedlich im Kreis seiner Familie in die Ewigkeit gerufen. Ein öffentlicher Dankgottesdienst im Gedenken an Bischof Franz Schäfer wird am 8. August 2016 um 14 Uhr im Fraumünster in Zürich stattfinden.

Drei Generationen: Bischof Schäfer (Mitte), Bischof Streiff (links), Bischof Bolleter
Drei Generationen: Bischof Schäfer (Mitte), Bischof Streiff (links), Bischof Bolleter

Zum 95. Geburtstag von Bischof Dr. Franz W. Schäfer

 

Am 10. März 2016 feiert Altbischof Franz Schäfer seinen 95. Geburtstag. Er hat 23 Jahre lang — von 1966 –bis 1989 — als aktiver Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche für Mittel- und Südeuropa gedient und lebt heute im hohen Alter in Zürich-Wollishofen.

In unserer Zeit ist es wenig gefragt, sich mit der Geschichte auseinander zu setzen. Das ist auch in der Evangelisch-methodistischen Kirche nicht anders. Dennoch, wir wollen es nicht versäumen, der Segensspur, welche einzelne Zeitzeugen hinterlassen haben, nachzugehen, um sie nicht zu vergessen.

Es gibt viele Erinnerungen, welche beim Schreiben dieser kurzen Würdigung wieder lebendig werden. Als junger Pfarrer hatte ich im Gespräch mit Bischof Dr. Franz Schäfer gelernt, im Umbruch der Zeiten nicht nur nach der neuen „Tagesordnung der Welt“ zu fragen, sondern zuerst und zuletzt die „Tagesordnung Gottes“ ins Zentrum des Dienstes der Kirche zu stellen. Die Tagesordnung Gottes führt uns zu den wahren Bedürfnissen der Menschen in Kirche und Gesellschaft.

Bischof Schäfer hat seine Zeit als aktiver Bischof einmal so charakterisiert: »In der Zeit zwischen 1966 bis zum Frühjahr 1989, in der ich als Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche die Gemeinden und Konferenzen in zwei westeuropäischen und sechs osteuropäischen Ländern verantwortlich begleitete, waren Ost- und Westeuropa ideologisch klar getrennt. Aber nicht nur das, mein Dienst fiel auch in die Zeit der härtesten Auseinandersetzung des geteilten Kontinents. Es war die Zeit des Kalten Krieges, der sich täglich steigernden atomaren Bedrohung, der ideologischen Verhärtung, die ein wachsendes Misstrauen zwischen Ost und West bewirkte. Wir wussten im Westen, wo der „Teufel“ sitzt, und wie wir uns seiner erwehren mussten. Die östlichen Machthaber aber wussten dies auch — mit vertauschten Rollen natürlich! War es in jener Zeit möglich, in West und Ost für kirchliche Aktivitäten Mitverantwortung zu übernehmen, ohne ideologisch Kompromisse einzugehen und damit die eigene Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen?

Professor Jan Milic Lochmann (aus Prag) schrieb später, dass mein Sprengel ein ökumenisches Unikum sei. Er verlange den Dienst an Kirchen und Gemeinden in West und Ost – Das Ausüben dieses Amtes mache den Mann zum Grenzgänger zwischen zwei recht verschiedenen gesellschaftlichen und weltanschaulichen Systemen. Es sei eine heikle Sache. Sehr schnell könne man zum Beispiel von westlicher Erfahrung und Gewohnheit geprägt, die Lage der Kirche im Osten entweder patronisierend betrachten, sicher wohlwollend, aber kaum solidarisch; oder auch ins Gegenteil verfallen und das Geschick der Menschen im Osten falsch idealisieren, schrieb Lochmann."

 

Bischof Schäfer war also ein Grenzgänger. Er selber sah es so: " Ich versuchte, mich frei zu machen von der Angst vor Strukturen, Systemen und Ideologien. Sie sind Gefässe, als solche wichtig, aber nur solange als sie den Menschen dienen, ihre Aufgaben zu erfüllen. Das ist in der Kirche so, aber auch im Staat und in der Gesellschaft. Es war oft schwer, hinter den verhärteten Schutzmauern der Ideologien dem Menschen zu begegnen. Wo dies aber gelang, wurde jede Begegnung zu einem Erlebnis."

 

Die Vereinigung der Methodistenkirche und der Evangelischen 

Gemeinschaft zur EVANGELISCH-METHODISTISCHEN

KIRCHE erforderte in der Schweiz und in Frankreich zu Beginn der 

Amtszeit von Bischof Schäfer seinen vollen Einsatz, viel Verständnis und Vertrauen zu den für die Vereinigung verantwortlichen kirchlichen Instanzen. Es war eine arbeitsintensive Zeit, die nicht nur das Denken, sondern auch die Emotionen der kirchlichen Mitarbeiter sehr beanspruchte, so dass für sie zu jenem Zeitpunkt viele Fragen, die den Sprengel betrafen, nicht, oder noch nicht an erster Stelle standen.

 

Franz Schäfer hat immer die Menschen gesucht und war selbst bereit, ehrlich, freundlich und voll Respekt und Wertschätzung jedem Menschen zu begegnen, in der Gemeinde, in anderen Kirchen, in der Welt, in der Politik. Das hat über die Zeit Früchte gebracht. Im Jahre 1985 hatte ihm die Comenius Fakultät der Universität Prag den Titel eines Ehrendoktors der Theologie überreicht. Diese Auszeichnung ist eine Anerkennung für einen langjährigen Dienst am Aufbau der Kirche in Ost und West und für die ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen in Osteuropa.

 

Der Beitrag von Bischof Schäfer im Bereich der weltweiten Kirchenfamilie der Methodisten (World Methodist Council) und in der Oekumene wurde bisher kaum beschrieben. Er war seinerzeit einer der Präsidenten des Weltrates Methodistischer Kirchen. Im General Board of Global Ministries arbeitete er an den Fragen nach einem neuen Missionsverständnis mit.

In Europa wurde damals auf Initiative Schäfers zur Koordination der Mission die ECOM (European Commission on Mission) gegründet. Diese Kommission präsidierte er während 20 Jahren.

Dankbarkeit ist angesagt, wenn wir an das lange Leben und den Dienst von Bischof Franz Schäfer denken. Wir wünschen ihm weiterhin die Erfahrung von Gottes gnädiger Gegenwart. Und senden unsere Grüsse an den Jubilaren.

Heinrich Bolleter

 

Anmerkung: An der Tagung der Exekutive der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa im März 2006 wurde Professor Helmut Nausner angfragt, aus Anlass des 85. Geburtstags von Bischof Dr. Franz Schäfer, ein Büchlein zu schreiben. Es trug den Titel: "Ein Zeuge unkonventioneller Menschlichkeit — Bischof Dr. Franz W. Schäfer".

 (Erschienen 2006 im Selbstverlag der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa).


March 10, 2016,

Tribute to Bishop Dr. Franz W. Schaefer for his 95-th Birthday.

 

 

From 1966 till 1989 Franz Schafer served as an active bishop for the Central Conference Area of Central and Southern Europe. He now lives in Zürich-Wollishofen, Switzerland.

 

In our time there is little interest, to grapple with the history. This is true in a similar manner also for the United Methodist Church. Nevertheless, we do not want to miss the traces and blessings, which have left our forbearers as faithful servants and witnesses for Jesus Christ. There are many memories that come back to life when writing this brief statement. As a young pastor, I had learned in conversation with Bishop Dr. Franz Schaefer, to judge our times of great changes not only from the new "agendas in the world" but to hold first and last the "agenda of God" in the center of the ministry in the church and in this world. The agenda of God leads us to the true needs of the people in the Church and in the Society.

Bishop Schaefer had characterized his time as an active bishop as follows: "In the period between 1966 to the spring of 1989, where I accompanied congregations and conferences in two Western European and six Eastern European countries, Eastern and Western Europe was ideologically separated. Not only was my service tainted by the time of the hardest struggle of a divided continent, it was the time of the Cold War, of the daily increasing nuclear threats, the ideological hardening, which caused the mistrust between East and West. We knew in the West where the "devil" sits, and how we had to defend ourselves. The Eastern rulers knew this as well - with the roles reversed of course! Was it possible at that time to take in the West and East responsibility for the church activities without ideological compromises, which could call our own credibility in question?

Professor Jan Milic Lochman (Prague) later wrote that my episcopal area was ecumenically unique. It required the service to churches and communities in East and West. This episcopal office made a man a traveler between two quite different social and ideological systems, which was a tricky thing. Very quickly could you (marked by Western experience and habit) consider the situation of the Church in the East either patronizing, certainly sympathetic but barely showing real solidarity; or even fall into the opposite and unrealistically idealize the fate of the people in the East, Lochman wrote."

 

Bishop Schaefer was thus a border crosser. He himself saw it this way: "I tried to free myself from the fear of structures, systems and ideologies, these are vessels, as such important, but only as long as they serve the people. This approach is basic in the Church as well as in the state and in the society. It was often difficult to meet the people closed up behind the hardened protective walls of ideologies. But where it was achieved, every encounter became a deep experience."

 

The union of the Methodist Church and the Evangelical United Brethren Church

into the United Methodist Church required just at the beginning of the tenure of Bishop Schaefer his full commitment in Switzerland and in France. There was a great need of understanding and trust in those who were responsible for the unification of ecclesiastical authorities. It was a busy time, which stressed the church staff not only in their thinking, but also emotionally. The challenge of this union came first at that time, many questions concerning the larger episcopal area, were not, or not yet present among the leaders and the staff.

 

Franz Schaefer has always focused on people and was ready to meet with every person in the United Methodist Church, in other churches, in the world and in politics with honesty, friendship with respect and appreciation. This has brought fruits over time. 1985 the Comenius Faculty of the University of Prague awarded him with the title of a Honorary Doctor of Theology. This was in recognition for many years of service to build up the Church in the East and the West as well as for the ecumenical cooperation with churches in Eastern Europe.

 

The contribution of Bishop Schaefer in the global family of Methodists churches (World Methodist Council) and in the ecumenical movement has not been sufficiently described till now. He was at the time one of the Presidents of the World Methodist Council. In the General Board of Global Ministries, he was involved in the development for a new understanding of mission and also of affiliation of the Methodist Churches Overseas.

In Europe Bishop Schaefer took initiative for the coordination of the mission boards in Scandinavia, Germany, Switzerland and Britain. The ECOM (European Commission on Mission) was founded. This Commission he presided over 20 years.

 

In deep gratitude we think of his long life and ministry. We wish him the experience of God's loving presence. We send our greetings to our brother and predecessor in the episcopacy.

 

Heinrich Bolleter, Bishop retired

 

 

Note: At the meeting of the Executive of the Central Conference of Central and Southern Europe in March 2006, on the occasion of the 85th birthday of Bishop Dr. Franz W. Schaefer, Prof. Helmut Nausner was engaged to collect memories about Schaefer. The booklet was entitled: "A witness of unconventional humanity — Bishop Franz W. Schaefer".

(Published 2006 by the Central Conference of Central and Southern Europe).